beratungsansatz

Herkömmliche hierarchische Organisationen sind wie Maschinen organisiert. In ihnen haben die Beziehungen und Emotionen der Menschen die geringste Relevanz. Zwischenmenschliche Konflikte, Ängste und Kommunikationsprobleme einzelner Mitarbeiter und Führungskräfte sind in einem mechanistischen Unternehmenskontext bloße Störfaktoren, für die es keine institutionellen Beobachtungsmethoden und erst recht keine adäquaten Lösungsangebote gibt.

Der Schwerpunkt der Kommunikation liegt auf der Sachebene des ES, auf der die faktischen Aufgaben und Prozesse der Organisation abgearbeitet werden. Die Ebene des WIR wird sporadisch und in der Regel ineffektiv bedient, da im Grunde alle wissen, dass sich Teamverhalten und -motivation nicht von oben verordnen lässt. Die fundamentale Ebene des ICH wird hingegen als ungreifbarer „weicher“ Faktor aus dem rationalen Funktionskalkül der Organisation ausgeblendet und entfaltet gerade dadurch informell oftmals riskante Wirkungen.

Um die enormen Leistungs- und Lernpotentiale lebender Organismen auch in Organisationen freizusetzen, zielt der Beratungsansatz darauf, die herkömmliche Kommunikationsverteilung in Organisationen umzukehren. Der Beobachtungs- und Entwicklungsfokus wird auf die Menschen, ihre Vernetzung und ihr Kommunikationsverhalten ausgerichtet.

Im Zentrum der Entwicklungsperspektive steht die Förderung der Kommunikationsfähigkeit und der Selbstverantwortung jedes einzelnen Menschen innerhalb einer Organisation (ICH). Ziel ist die Verbesserung der Qualität der kommunikativen Beziehungen jedes Einzelnen zu allen anderen Organisationsmitgliedern (WIR), um die bestmögliche Leistungserbringung auf der Sachebene (ES)zu erreichen. Letztlich geht es darum, die Gesamtorganisation mit ihren Unter-Gruppierung in ihrer Fähigkeit der Sebststeuerung zu fördern. Die ehemals "weichen" Faktoren der Organisationskultur werden dabei zu den zentralen Elementen der Organisationsentwicklung.

Persönlicher Ansatz

Ein unvollendetes und wirklich noch zu überarbeitendes Interview von Johannes Wiek und mir (Rainer Wetz) möchte ich hier einfügen, um Stil, Hintergrund und Erfahrung etwas zu beleuchten:

GESPRÄCH Johannes Wiek (JW) MIT Rainer Wetz (RW), November 2010


JW: Wie ist die Beratung, das System entstanden - wie Du sagst, sind die ersten Ideen vor 30 Jahren entstanden? Und was ist die zentrale Idee? Wie bist Du auf etwas gekommen, was heute von den Kybernetikern, Systemtheoretikern, Sozio-Biologen (Schwarmforschern), Gehirnforschern etc. bestätigt wird?
RW: In meiner ganzen Ausbildung hat es sich immer um die Nahtstelle gedreht, was Menschen erleben (landläufig das Gebiet der Psychologie), wie Menschen zusammenleben (eine soziologische Frage) und wie sie sich organisieren (eine wirtschaftswissenschaftliche und organisationstheoretische Frage). Die Schnittstelle zwischen der Psychologie und den wirtschaftlichen Gegebenheiten eines Betriebes. Ich habe Wirtschaft, Psychologie, Soziologie/Sozialwissenschaften und Theaterwissenschaft studiert. Letzteres nicht mit der Absicht, Schauspieler zu werden, sondern das menschliche Theater besser zu begreifen und zu organisieren. Erst war ich auf eine Unilaufbahn ausgerichtet – habe aber nicht die Freiheit gefunden, die für mich so wichtig ist. Dann in den 70er Jahren bin ich zu Freunden gestossen, die gerade ein Institut gegründet hatten, um - damals sehr modern - Innovationen in/mit Unternehmen zu entwickeln: "Institut für Angewandte Kreativität". Wir waren und sind ein feines, kleines Veränderungsinstitut. Und wir haben immer aufgepasst, dass wir nicht groß werden und riesige Heerschaare von Beratern und Coaches einstellen. Das war nicht unser Ansatz. In den 80igern und 90igern habe ich als geschäftsführender Gesellschafter das ganze Gebilde zusammengehalten und viel Nerv verloren beim Zusammenbringen aller.
In den ganzen Jahren bin ich immer an dieser Schnittstelle Psychologie / Wirtschaft geblieben. Zentrale Fragen: Wie geht der Einzelne mit dem Unternehmen um? Und wie sollte das Unternehmen strukturiert sein, unter Wahrung der Bedürfnisse des Einzelnen. 1980, lange bevor es das Wort Coaching überhaupt gab, war ich größtenteils genau das. Ich habe damals Einzelpersonen und Teams moderiert, und teilweise jahrelang – ja auch Jahrzehnte lang - betreut. Ich habe nie beraten. Der Begriff passt nicht. In den späten 70gern habe ich z.B. das Strategie-Team eines großen Weltkonzerns über 3 Jahre betreut (die inhaltliche Beratung kam von Mc Kinsey). Dabei habe ich die Neu-Strukturierung mit Großkonferenzen betreut, um alle ca. 3 tsd Führungskräfte in den Strategie-Prozess zu integrieren. Wir reisten mit einem Zirkuszelt durch alle Niederlassungen… ein wunderbares Abenteuer!
Als Uni-Assistent 1968 bis 1972 habe ich auch sehr viel im Bereich non-profit gearbeitet. Wir hatten damals sehr viele Erfahrungen im Bereich der Drogenarbeit gesammelt. Ich habe mehrere groß angelegte Untersuchungen dazu gemacht. Unter anderem die erste Dealer-Befragung - 1971. Für das Bundesministerium Familie und Gesundheit - wahrscheinlich auch die Einzige. In diesem Feld habe ich mitbekommen, wie die psychologische Beratung, die dahinter stehenden (Lern-)Theorien sowie die Strukturen, in denen Menschen leben, die abstürzen, nur sehr bedingt wirken! Ich konnte erfahren, dass eine andere Haltung dazugehört, um damit umgehen zu können. Nicht die Haltung des Sozialarbeiters oder des Beraters in einem Unternehmen hilft nachhaltig. Es gehört die Haltung eines Therapeuten dazu, der nur versuchen kann, dem Gegenüber dabei zu helfen, dass er wieder eine Freiheit in seiner Entscheidung hat. Zum Beispiel für oder gegen Drogen. Oder in einem Unternehmen die Freiheit, sich zu entscheiden, ob man sich führen lässt oder gestaltet. Die Entscheidung im Unternehmen, ob ich mich abhängig mache. Oder ob ich versuche, zu strukturieren... Was Innovation, Wandel oder Veränderung bedeutet. Ich bin nicht der Hinnehmende, sondern der Gestaltende. Und das ist in Unternehmen natürlich aufregend. In Unternehmen herrscht häufig die Auffassung, dass einige Abteilungen die gestaltenden und andere die sind, die nur durchführen.
• Marketing sei der offene Regelkreis.
• Produktion ist der geschlossene Regelkreis.
Damit wird die Produktion sekundär. Die Wahrheit ist aber, dass alle am Gestalten sind. Und wir alle müssen auch eine Wertschätzung gegenüber uns selbst haben. Weil wir alle gestaltend sind. „Du bist kein Nachvollzieher. Du bist wie ich ein Gestalter!“ Und das ist eine andere Sichtweise.
Nun sind unsere Organisationen und Unternehmen so strukturiert, dass wir alle noch denken, dass das eine Gehirn, also ein Top-Management (GF oder Vorstand), alles steuert. Die sind die Kreativen, die Innovativen. Und die müssen wir stark machen, die müssen wir ausbilden. Und der Rest führt aus und durch, was oben entschieden und entwickelt wird.
Und genau das stimmt so nicht. Das ist zu eng, wie ich im Lauf vieler Jahre gelernt habe.
JW Wie hast du Unternehmen vorher gesehen? Und wie jetzt?
RW Früher habe ich - ironisch gesprochen - Newtonsche Hebelgesetze im Kopf gehabt. Im Sinne von: wenn wir das und das machen, dann kommt das und das raus. Ich habe zum Beispiel dazu beigetragen, den Störenfried in einer Gruppe oder Abteilung zu identifizieren und aus der Gruppe rauszuholen, um den Frieden wieder herzustellen. Und habe gedacht, dass das der richtige Weg ist. Oder ich habe Managementmodelle wie 6 Sigma von McKinsey verwendet. Die alle auf einer Ebene völlig richtig sind. Und dann habe ich die Sachen noch mal angewendet. Und es gab das totale Chaos. Irgendwie stimmten diese Hebelgesetzte im Bereich des Menschlichen oder der Organisation nicht. Und dann haben wir angefangen zu suchen. Wie findet denn eigentlich Veränderung - oder besser - Anpassung an sich verändernde Realitäten statt? Und nicht nur die Hebelgesetzte funktionierten nicht. Sondern meine Vorstellung, dass es oben eine tolle Unternehmensspitze gibt, die alles lenkte (so ähnlich, wie ich dachte, dass es das Gehirn macht) stimmte nicht. Wir alle haben das aber damals gedacht, dass wir selbst vom Gehirn und Organisationen von der Zentrale gelenkt werden.
Und dann haben wir etwas entdeckt. Das ein riesen Apparat, riesige Konzerne, Namen gar nicht nennen (T-Mobil, Siemens, Daimler, Bahn...), die können richtig Geisteskranke an der Spitze haben, richtig durchgeknallte Typen. Und die Organisation läuft trotzdem weiter! Und verdient weiter Geld... Das ist doch faszinierend. Was ist das? Warum funktioniert das?
Dann biologische Metapher... Das ist ein riesen Organismus!
Und an dieser Stelle kam alles zusammen, was ich bisher gemacht hatte. Ich habe mir gleich alle Domains mit den Worten Unternehmenstherapie reservieren lassen. Denn irgendwann werden die Menschen in Organisationen hoffentlich keine Angst mehr davor haben... Denn das, was ich heute mache, ist Unternehmenstherapie. In einer therapeutischen Haltung. Ich erkenne das Unternehmen als einen Organismus, der Selbstheilungskräfte hat. Der sich tatsächlich selber steuert. Sonst wäre doch nicht zu erklären, wie Organisationen auf der ganzen Welt trotz unfähiger oder gefährlicher Menschen an der Spitze überleben und gut damit leben können. Oder daraus sogar eine gewisse Kraft schöpft. Menschen, die man in anderen Kontexten als gefährlich für die Gemeinschaft isolieren und einsperren würde. Die anfangen ihre Mitarbeiter abzuhören, bis an die Grenze des erträglichen zu kontrollieren und sich gleichzeitig von ihrer realen Umwelt abschotten, und die ganzen fatalen Geschichten wirklich gestörter Persönlichkeiten. Und währenddessen läuft das ganze Unternehmen einfach weiter. Das muss uns doch mal zu denken geben.
Natürlich ist die Spitze einer Organisation wichtig. Und ich habe auch wirklich wunderbare Menschen in dieser Funktion zum Beispiel eines CEO kennen gelernt. Diese waren nie in Widerstand mit der gesamten Organisation, sondern sie ritten sozusagen auf der Welle des gemeinsamen Verständnisses, verstärkten positiv vorhandene Entwicklungen und achteten darauf, dass alle Organisationsmitglieder in die mögliche Weiterentwicklung integriert und beteiligt wurden. Und der Erfolg oder Misserfolg ist niemals eine Folge von Einzelentscheidungen auf dieser Ebene. An der Spitze kann sogar wirklicher Mist gemacht werden, und nach vier Jahren geht es dem Unternehmen als Ganzem sogar besser. Denn nur dadurch, dass die Spitze schlecht war, kann z.B. die Organisation bei der Nachfolge bereit für jemand ganz anderen sein, der sonst niemals hätte an die Spitze kommen können... (Hätten wir Busch nicht gehabt, hätten wir heute keinen Obama).
JW Du hast gesagt, dass du begonnen hast, Organisationen nicht mehr von der Spitze, wie eine ausführende Maschine gesteuert zu sehen, sondern wie einen eigenständigen, sich selbst organisierenden, lebendigen Organismus, der Selbstheilungskräfte hat. Und das man diese Selbstheilungskräfte therapeutisch unterstützen kann.
Um Zugang zu der Sache zu bekommen, musste ich also Möglichkeiten finden, Zugang zu den Führungskräften zubekommen - die in aller Regel unter einem permanenten Leidensdruck stehen, es RICHTIG zu machen, sich richtig zu entscheiden - sich nicht mehr um die ach so wichtige Sache zu kümmern, sondern die Mitarbeiter in die Verantwortung mit rein zu nehmen. Und einen Teil ihrer Verantwortung abzugeben und ihre Mitarbeiter dazu zu befähigen, dass sie einen Großteil der Entscheidungen selber tragen können.
Das war ja immer schon die Forderung an die Vorgesetzten: Nehmt eure Mitarbeiter ernst! Arbeitet partnerschaftliche! Usw. Das ist ja an sich genau richtig. Aber das hat nie wirklich funktioniert. Ich glaube, weil alle auf beiden Seiten dieses Gehirnmodell der obersten „Entscheiderinstanz“ im Kopf haben. Und natürlich die Machtspiele. Größer zu sein, erfolgreicher, besser zu sein als der andere. Mit diesen Einstellungen und Prägungen umzugehen, war natürlich immer extrem schwierig. Und letztlich habe ich immer daran gearbeitet.
Und ich habe fantastisch gut daran verdient. Weil es überall in Unternehmen gekracht hat. Auf allen Ebenen. In Familienunternehmen zwischen den Generationen oder zwischen der Führungsspitze und den Mitarbeitern in Veränderungs-Situationen. In Großkonzernen zwischen den Vorständen, zwischen den Abteilungen und zwischen denen, die Karrieren machen wollten.
Ich habe nur daran gearbeitet, Konflikte zu lösen und Frieden wiederherzustellen – Brandherde zu löschen. Mein ganzes berufliches Leben bestand darin, dass ich immer gerufen wurde, wenn die Unternehmen alles versucht hatten, was es auf dem Markt gab und gibt, um ihre Konflikte und Probleme zu lösen. Wenn McKinsey versagt hatte, wenn jede Hebelmaßnahme versagt hatte, jede Reorganisation, wenn der Vorstand oder eine Abteilung immer noch in ihrem eigenen Drama festhingen. Dann wurde ich gerufen. Holt doch mal den Wetz, der macht das irgendwie anders...
Fast alle Probleme, die mir in Unternehmen begegnen, sind persönliche Probleme von Menschen, die miteinander in Konflikt geraten. Sach-Unterschiede sind kein Konflikt sondern eine wichtige Information, die besprochen werden muss. Und Konflikte entstehen fast immer aufgrund einer falschen Verteilung von Macht. Die Probleme entstehen fast immer dadurch, dass einer, der Macht hat, sich einen völlig unfruchtbaren Krieg leisten kann, weil er die Macht hat. Das geschieht auf kleinster Kollegenebene genauso wie auf höchster CEO-Ebene. Überall.
Dass große Unternehmen / Konzerne trotzdem immer weiter funktionieren, liegt daran, dass die meisten Mitarbeiter immer Wege finden, wie sie um diesen Wahnsinn herum kommen. Und dabei sind sie sehr erfindungsreich, weiter effektiv zu operieren und ihr Selbstwertgefühl zu wahren!
Ich habe die Metapher „Bionik“ gefunden, dem Vergleich von tierischen Organisationsformen mit menschlichen Sozialverhältnissen, Unternehmen wie Zellstrukturen eines Organismus zu betrachten. Ich habe mich mit der Biologie und biologischen Phänomenen beschäftigt, in denen die Natur Lösungen für solche Probleme findet. Ich habe mir Schwärme angeschaut. Und sie mit Unternehmen verglichen. Mit großen Konzernen aber auch mit kleinen Unternehmen, die vielleicht 10 Mitarbeiter haben. Die funktionieren alle nicht nur deshalb, weil allein ein Chef an der Spitze vorgibt, wie der Laden laufen soll, sondern weil alle Mitarbeiter (Zellen in einem Schwarm oder einem Organismus) miteinander verwoben sind und auf der Ebene der individuellen Interaktion ihre Lösungen finden (= positive Stimmung). So wie ein Starenscharm wunderschöne Tänze mit einer großartigen Exaktheit ausführt, so tanzt auch ein Unternehmen, wenn es gut läuft, durch das Feld seiner Kunden, seiner Produktions- und Administrationsprozesse und passt sich spielend allen Arten von Veränderungen und Herausforderungen und Bedrohungen an. Unternehmen können die Schönheit des gemeinsamen Tanzes genauso erreichen, wie ein Vogel- oder Fischschwarm in der Natur.
Das kann aber niemals funktionieren, wenn man die Aufmerksamkeit in erster Linie auf die oberste Ebene richtet - und nur die CEOs berät und den Mitarbeitern irgendwelche Lösungen oder Strukturen oder Veränderungen überstülpt. Oder wenn es unter Wettbewerbsgesichtspunkten immer nur darum geht, den jeweils Besten für eine neue Führungsrolle herauszusuchen und alle anderen, die nach den jeweiligen Kriterien nicht die Besten sind, nicht weiter zu beachten oder ihnen nur ausführende und befehlsempfangende Rollen zuzuweisen, ohne sie auch als Entscheider, Gestalter und Innovatoren zu erkennen und zu fördern. Oder sie nur zu gängeln, zu kontrollieren und zu überwachen, ob sie ihre Aufgaben auch erfüllen, wie das in vielen statisch hierarchischen Organisationen noch immer der Fall ist - manchmal mit abnormen Ausmaßen. Ein enormes Ausmaß einer Misstrauenskultur, das sich da entwickelt hat - obwohl den Leuten gleichzeitig immer wieder plakativ gesagt wird, dass sie selbst Verantwortung übernehmen und Teamfähig sein sollen...
Da herrscht einfach immer noch das alte mechanistische Gehirnmodell vor, in dem eine Organisation oder ein Organismus durch eine Schaltzentrale der Macht gesteuert wird, und alle, die nicht steuern, nur Befehle empfangen und befolgen sollen. Aber genau so funktioniert das in der Natur nicht. Nicht in unserem Gehirn und nicht in Vogelschwärmen. Und wie wir immer wieder sehen, auch in Unternehmen nicht. Unternehmen funktionieren meistens nur trotz der Tatsache, dass die an der Spitze dieses falsche Selbstverständnis haben und sich selbst in ihrer Bedeutung für den Unternehmenserfolg völlig überschätzen!
Beispiel Bienenstaat als Analogie. Es wird deutlich, dass eine einzelne Biene nicht überleben kann. Auch bei Menschen ist das so. Zumindest kann man sich nicht fortpflanzen. Allein nur ein extrem niedriger Lebensstandard über einen gewissen Zeitraum. Bienen scheinen eine ungeheuer - noch nicht enträtselt, mittlerweile sogar Vermittlungssprache gefunden - Vernetzung zu haben. Heute stehen wir Menschen mit der digitalen Vernetzung vor einem weiteren Schritt. Wir werden immer vernetzter mit anderen, immer flexibler und individueller eingebunden.
Wie steuert man denn ein Unternehmen, das weltweit vernetzt ist, mit 50.000 Mitarbeitern in 18 Ländern, mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen?
Die zentrale Idee lässt sich vielleicht am einfachsten am Beispiel eines Bienenschwarms erklären: Es gibt eine Führungsfigur. In Fall der Bienen die Königin. Völlig in Ordnung. Aber alle Bienen funktionieren auch unabhängig von der Spitze und ihrem Stab. Bei uns Menschen ist das genauso. In Unternehmen kann es diese Spitze geben. Aber alle arbeiten in erster Linie unabhängig davon. Die Führungsspitze kann uns zwar das Leben zwar schwer machen oder erleichtern. Erleichtern vor allem dann, wenn der König oder die Königen selber gut kontrolliert wird und nicht in einen Machtmissbrauch abgleiten kann. Aufsichtsräte reichen dazu in den meisten Fällen nicht. Mitarbeiter können ihre Vorgesetzten ganz oben in aller Regel auch nicht kontrollieren. Funktionierende Systeme haben wir in Deutschland nur bedingt durch das Betriebsverfassungsgesetz - und sonst eigentlich nirgendwo. Im Bienenschwarm ist das höchstwahrscheinlich auch nicht der Fall. Aber dort spielt das auch keine Rolle. Denn hier haben die Bienen eine Fülle von einfach funktionierenden Regeln!
Und ich habe mir über die vielen Jahre immer konkreter die Frage gestellt, was diese Regeln beim Menschen in Organisationen sind! Gibt es Regeln, nach denen die Menschen in Unternehmen sich organisieren können wie ein Schwarm? Um optimal miteinander arbeiten zu können.
Im Bienenstaat weiß jede Biene, was sie zu tun hat. Die eine Biene passt als Wächter auf, dass nur Bienen mit einem bestimmten Geruch in den Bienenstaat kommen. Die andere kümmert sich um den Nachwuchs und versorgt die Puppen. Die andere fliegt draußen rum und sucht nach Nahrung und teilt den anderen mit, wenn sie etwas Lohnendes gefunden hat. Andere fächeln, um die Temperatur im Bau konstant zu halten. Wenn es nun beispielsweise im Bau zu warm wird, kommen andere hinzu, lassen ihre Aufgaben und fächeln auch. Sie organisieren sich selbst, weil sie spezifischen Regeln folgen. Sie reagieren auf gefühlten Zuruf und die Veränderung äußerer Umstände und handeln im Sinne der Bedürfnisse des gesamten Staates oder des Gesamtorganismus/Gesamtorganisation.
Und das wäre doch in menschlichen Organisationen wunderbar. Wenn alle wüssten, wie es allen als Gesamtorganismus geht und von sich aus dort aktiv werden, wo es im Augenblick für die Gesamtorganisation am sinnvollsten ist. Was kann ich tun oder wer kann mir helfen, damit die Gesamtsituation sich verbessert. Und wir sind ja keine Bienen, sondern Menschen, die sehr viel mehr Eigenständigkeit und Einsichtsfähigkeit haben sollten. Aber gleichzeitig auch viel mehr in Erkenntnis- und Handlungsproblematiken verwickelt sind als Bienen oder Fische.
Und diese Fragen und Antwortversuche sind bei mir über viele Jahre gewachsen. Und aus der Kommunikationstheorie bin ich auf die Bedeutung des direkten Feedbacks gestoßen. Ich habe es immer als sehr hilfreich empfunden, wenn ich in Unternehmen und Teams aktiv geworden bin, am Anfang einen kleinen Fragebogen auszugeben. Wie sie sich als Einzelne in ihrer Situation fühlen, was sie über das Team denken? Worin sie die Qualitäten des Teams sehen? Welche Hoffnungen sie in Bezug auf ihre Arbeit in ihrer Firma haben? Wie sie ihren Vorgesetzten finden.? Usw. Das war immer sehr hilfreich.
Ich habe das dann auch in größeren Organisationen versucht, solche Umfragen zu machen. Aber die Ergebnisse hatten nie eine richtige Wirkung. In kleinen Teams mit direktem Coaching hat das noch wirklich Klasse funktioniert. Weil das Feedback direkt war und sehr zum Teambuilding beigetragen hat. Aber in großen Unternehmen ging das gar nicht. Obwohl ja überall solche Mitarbeiterbefragungen gemacht werden. Das ist immer furchtbar viel Aufwand und bei allen, die mitmachen müssen, gibt es furchtbar viel Aufregung. Und die Ergebnisse schauen sich dann immer nur die obersten Chefs und die Personaler an. Und das frühestens nach einem halben Jahr, wenn die Befragung endlich ausgewertet ist.
Und mit den Ergebnissen kann eigentlich auch prinzipiell niemand etwas anfangen. Die Erhebung ist schon ein halbes Jahr her. Die Situation hat sich bereits verändert. Die Menschen haben sich verändert.
Dadurch kommt es niemals dazu, dass jeder im Unternehmen von den anderen weiß, wie es ihnen eigentlich geht. Keiner weiß, wie seine Gruppe, geschweige denn das ganze Unternehmen fühlt. Und wie es ihm im Verhältnis dazu eigentlich geht.
Und dann kommt wieder die Personalabteilung und entscheidet über die Leute hinweg aufgrund der veralteten Daten, dass und bei wem jetzt wieder mal ein Teambuilding-Workshop gemacht wird, weil sie aus den alten Daten herauslesen, dass es da irgendwo ein problem in einem Team gegeben hat. Das hat dann mit der Lebenswelt der Leute meistens überhaupt nichts zu tun.
Keiner hat den Durchblick, was eigentlich los ist und wie es den Menschen aktuell geht. Und keiner kann sich entsprechend im Unternehmen einbringen, um Probleme zu lösen und die Situation zu verbessern. Und genau da hat sich mir immer wieder die Frage gestellt, warum das beispielsweise bei den Bienen so viel besser funktioniert. Die wissen immer, wie es allen anderen in der Gesamtorganisation geht und passen ihr Verhalten sofort und präzise an die Veränderungen und Notwendigkeiten an. Um sich im Sinne des ganzen nutzbringend einzubringen.
Was wissen diese Bienen? Wie können sie das wissen? Und wie übernehmen sie Verantwortung, um dieses Wissen zu nutzen und sich optimal einzubringen? Und wie kriegen wir das in Unternehmen hin?
Das geht nicht - wie sich herausgestellt hat - über Motivationsmaßnahmen und Teambuilding. Auch nicht über proklamierte Visionen usw. Das geht nur über direkte und umfassende FEEDBACKMECHANISMEN. Nur dann, wenn jeder, wirklich jeder, weiß, wie das gesamte Unternehmen, die eigene Gruppe, das eigene Team jetzt gerade tickt, kann jeder darauf reagieren und sich mit Verantwortung für das Ganze individuell einbringen. Und sich dadurch im Verhältnis zu den anderen richtig verhalten.
Wie in einem Bienenstock sollten alle verstehen können, wie sich die Wärme im Bau steuern lässt und wie wir dazu möglichst gut beitragen können und wie wir jeder dabei das sein und tun können, was wir sein und tun wollen...
Wenn das im Unternehmen möglich wäre, bräuchte man wahrscheinlich nur noch eine sehr kleine Marketingabteilung. Man bräuchte auch keine Hochglanzbroschüren mehr, in denen drinsteht, wer man ist und wie man sich für den Kunden einsetzt und wie sehr man ihn liebt. Sondern man würde es einfach wissen und dementsprechend tun - jeder.
JW: Wie kann man das erreichen?
RW: Ein wesentlicher Schlüssel ist die völlige Informationstransparenz. Alle sollten wissen, wie es allen anderen geht.
JW: Aber dafür muss man jeden fragen, wie es ihm geht.
RW: Ich denke, wir können davon ausgehen, dass Menschen gerne und gut arbeiten, wenn sie das, was sie tun, lieben.
Das ist etwas anderes, als seine Sache nur zu machen, um etwas damit zu erreichen. Vor allem zum Beispiel der persönlichen Aufstieg (oder die eigenen Sicherheit, oder was auch immer). Wenn nur die Karriere im Vordergrund steht, ist alles, was man tut nur auf das zukünftige Ziel des Aufstiegs ausgerichtet. Und alles, was man jetzt tut, tut man nur als lästiges Mittel zum Zweck der Aufstiegs und nicht um der Sache selbst willen. Das ist daramtisch/tragisch. Solche Menschen zerstören oftmals den Apparat, in dem sie aktiv sind.
Etwas anderes ist es, dass, was man tut - durchaus mit dem Interesse, diesen Bereich zu erweitern - zu lieben.
Oder ein anderes Problem, dass es sehr häufig gibt, dass viele Menschen in Organisationen mit Missachtung auf das schauen, was die anderen machen. Sei es die andere Abteilung oder die Putzfrau. Und nicht sehen, welchen wichtigen Beitrag die anderen leisten. Auch das ist tragisch. Weil diese Menschen einen wesentlichen Teil der Arbeit im eigenen Bau als negativ und geringwertig erachten. Und damit wechselseitig dafür sorgen, dass diese Menschen aufgrund der Geringschätzung ihren Job noch weniger lieben...
In diesen fatalen Motivationszusammenhängen wartet der entmündigte Mitarbeiter auf das Lob des Chefs, um sich bei seiner ungeliebten Tätigkeit besser zu fühlen. Und der Chef entscheidet, ob und wann er lobt, wenn es gut läuft oder den Mitarbeiter zu kritisieren und nicht zu loben, damit er sich wieder Mühe gibt, um an ein Lob zu kommen... Das ewige Spiel, das nur Verlierer kennt. Weil es die ganze Energie für den „Tanz am Markt“, wie ihn die Bienen tanzen, abzieht und nur zu den schrecklichen internen Frustrationen und Konflikten führt, wegen denen ich als Berater immer wieder gerufen werde.
Am Ende habe ich es dann immer mit Organisationen zu tun, die sehr umfangreiche, interne neurotische Kämpfe austragen. Und die unglaublich große und differenzierte Personalabteilungen haben, die in diesem neurotischen Chaos herumspringen und irgendetwas steuern wollen. Und am Markt passiert in der Zeit nichts mehr. Diese Organisationen sind die meiste Zeit nur noch mit ihren internen Konflikten und Verstrickungen beschäftigt.
Aus zynischer Beratersicht ist das eigentlich das finanzielle Paradies. Genauso wie mir kürzlich ein Kindertherapeut sagte: Ich bin so glücklich, dass wir so schlechte Schulen haben. Ich habe die nächsten Jahrzehnte unendlich viel zu tun. Das Geschäft könnte gar nicht besser laufen.
JW: Wie sind denn diese einfachen Regeln und Bedingungen für den Einzelnen, nach denen ein Schwarm funktioniert? WANN ARBEIT ICH GERNE IM SCHWARM? Was sind die Grundregeln?
Der erste Bereich dieser sehr einfachen Regeln bezieht sich auf das ICH im Unternehmen. Die individuelle Situation. Ich muss meinen Beruf, das, was ich tue, lieben.
Ich muss alle Möglichkeiten haben, ihn auch adäquat auszuüben. Ich brauche beispielsweise einen guten Computer oder ein gutes Werkzeug und ich muss gut damit arbeiten können.
(Das das nicht banal ist, zeigt die Geschichte von den Wartungsgruppen-Telephonen. Wartungsabteilung auf einen riesigen Werksgelände einer Chemiefabrik mit sehr komplizierten Wartungsaufgaben. Um sich untereinander abzusprechen, hatten sie spezielle gelbe Telephone. Nach einiger Zeit kaufte die unabhängige Einkaufsabteilung neue blaue Telephone. Die waren wesentlich billiger und man hat enormes Geld beim Einkauf gespart. Doch auf den blauen Telephonen fehlte die Funktion, die verzeichnet, wer angerufen hat und die Reichweite und Störungsunempfindlichkeit war geringer. Es gab ein totales Durcheinander. Adäquates und schnelles Reparieren war nicht mehr möglich. Immer wieder blieb die Produktion stehen. Und das Schlimmste waren die sofort ausbrechenden Machtkämpfe, wer nun noch eines der letzten funktionierenden gelben Telephone bekommen sollte und wer nur eines der neuen blauen. Es ging nur noch um die Frage, wer wichtig und mächtig genug war, um eins der gelben zu bekommen... Und die wurden auch noch immer weniger, weil sie nach und nach kaputt gingen. Aber aus dem Vertrag mit dem neuen Telephonanbieter kam man nicht mehr heraus...Und daran hat sich das Unternehmen drei Jahre aufgehalten!)
Und meine Work-Life-Balance muss auf Dauer einigermaßen ausgewogen sein. Wer sich nur auspowert und auf Dauer länger als 10 Stunden arbeitet, wird ausbrennen. Insbesondere dann, wenn er nicht liebt, was er tut. Das kann nicht im Sinne des Unternehmens sein.
Ganz einfache Sachen. Wir haben in einem großen internationalen Unternehmen in Deutschland die Regel eingeführt, dass keiner länger als bis 18: 00 im Haus bleiben darf. Weil er durch das vermeintlich mehr leisten, dem Unternehmen als ganzes schadet. Da haben die Mitarbeiter vorher am Freitag Aufträge bekommen, die sie Montag früh abliefern mussten oder sich noch abends um 10:00 Uhr angerufen und unheimlich wichtige Jobsachen besprochen. Um zu zeigen, wie Karriereorientiert sie sind. Ein Wahnsinn. Das sind alles Perversionen unseres Arbeitslebens, die gar nicht funktionieren können, wenn man das Unternehmen als Organismus denkt. Klar müssen wir oft richtig viel arbeiten. Aber dass funktioniert nur, wenn das aus Begeisterung heraus geschieht.
Die Menschen müssen den Organismus als ganzen verstehen lernen und darin eigenverantwortlich die Rollen wechseln können, um zum Überleben und dem Gesamterfolg beitragen zu können.
Der zweite Bereich der einfachen Regel bezieht sich auf den sozialen Kontext der Einzelnen. Um sich wohl zu fühlen, lieben zu können, was man tut und gut arbeiten zu können, muss das soziale Umfeld im Unternehmen in Ordnung sein. Mit den Vorgesetzten und Mitarbeitern muss es ein stressfreies Verhältnis geben.
Ich muss zudem das Gefühl haben, dass das, was ich tue, in einem Umfeld stattfindet, das gut organisiert ist. Mein Team, meine Gruppe, meine Abteilung muss gut organisiert sein, damit ich nicht gegen Windmühlenflügel ankämpfen muss oder Sand im Getriebe ist.
Und der dritte Bereich der einfachen Regeln bezieht sich auf das Unternehmen als ganzes.
Ich muss der Ansicht sein können, dass das, was das Unternehmen als ganzes tut, einen Sinn hat und dass der Gesamtorganismus eine Zukunft hat.
Wenn ich beispielsweise als Ingenieur und Pazifist Begeisterung für die Veredelung von Metalloberflächen empfinde aber in einem Unternehmen arbeite, dass damit unter anderem Bestandteile von Waffen herstellt, dann kann ich auf Dauer nicht zum Erfolg des Ganzen beitragen, weil mich die Diskrepanz im Sinn des Unternehmens kaputt macht. Schwierig wird das dann insbesondere, wenn der Einzelen denkt, er müsse diesen Job weiter machen, obwohl sich in ihm vieles sperrt. Wenn alle oder viele wüssten, dass viele Menschen im Unternehmen die gleichen oder ähnliche schwierigkeiten haben, dann würde sich die Situation verändern. Wenn alle wüssten, wie es allen geht, wären Veränderungen unausweichlich. Heute ist das oftmals so, dass die Leute sich gegenseitig und sich selbst etwas vormachen oder vormachen müssen, weil sie denken, sie stünden mit ihrer Irritation allein da und sich niemandem anvertrauen können, weil sie glauben, sich damit zu schaden, wenn sie sagen, wie es ihnen wirklich geht. Die Folge sind persönliche und Zwischenmenschliche Konflikte aller Art, die die Leistungsfähigkeit des Unternehmens massiv senken.
Das hört sich jetzt banal an. Aber ich habe in den letzten dreißig Jahren erfahren müssen, dass es genau an diesen ganz einfachen Sachen gerne in Unternehmen hapert!
Ich-bezogen geht es um die Begeisterung für den Job und die Mittel und die Kraft, um ihn auszuüben.
Wir-beszogen muss das soziale Umfeld und die hierarchischen Strukturen als positiv empfinden und mein Arbeitsbereich muss ordentlich organisiert sein.
Auf der Es-Ebene müssen der Sinn und Zweck des Unternehmens so sein, das ich daran glauben kann. Und ich muss an die Sinnhaftigkeit und die Vertrauenswürdigkeit meiner Unternehmens- repräsentanten an der Spitze glauben können. Denen muss ich zutrauen, dass sie ihren Job gut machen, und in Ordnung ist, was sie tun.
Das hört sich vielleicht nach heiler Welt an. Denn in Unternehmen kommt es immer zu Konflikten und Vertrauensdefiziten. Zum Beispiel zwischen dem Management-Team und einem Abteilungsteam. Aber das bedeutet doch nur, dass man dieses mangelnde Vertrauen und den Glauben auf die Zukunft nicht befehlen kann, sondern dass hier eine andere Kommunikation stattfinden muss.
Wie können die Menschen selber erkennen, in welchen Problemzusammenhängen sie stecken, selbst die Lage interpretieren und sich zur Lösung selber ihre Unterstützung auswählen und rufen? Das war der Grundgedanke!
Letztlich auf dem Weg zur Selbstorganisation, Selbststeuerung und Selbstverantwortung und Selbstheilung bei Störungen.
Zu der Situation bei Vorständen: Einen Coach zu haben, wird immer noch als Schwäche interpretiert... Und als Störung des labilen Machtsystems auf der obersten Ebene. Ich kenne wenige, die von gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen getrieben sind... Die meisten sind von Ellenbogen, Kälte, egoistischer Durchsetzung und Kälte geprägt... Mein Reich, dein Reich. Ich bin größer, besser, mächtiger. Oder sollte es eigentlich sein.
In den letzten 10 Jahren hat sich schon etwas geändert in manchen Fällen. Da schlägt dann schon eine andere Erziehung und Schule der 68er und 70er Jahre durch. Mit manchen Vorständen habe ich 10 - 15 jahre in der Therapeutenrolle zusammengearbeitet. Die besten und erfolgreichsten haben ihren Unternehmen nie etwas aufgezwungen, sondern immer nur geschaut, was als nächstes in der Organisation dran ist. Das waren auch die, die man daran erkennt, dass sie immer einen leeren Schreibtisch und immer Zeit hatten. Die ihr Ego nicht so wichtig genommen und mit guten Stil für das Unternehmen und die Menschen gearbeitet haben.
Das waren die, die schon begriffen haben, dass nicht sie, sondern die Organisation die entscheidende Arbeit leistet. Die Organisation arbeitet nach ihrer Ordnung. Und sie sind die Hüter der Ordnung. Der Hüter der Regeln. Und die, die der Organisation dabei helfen, die Regeln immer wieder anzupassen und zu verändern! Die haben sich nie als die Macher, Entscheider und Führer gesehen.
Und dann habe ich die Umkehrung gemacht und einer Reihe von Vorständen eine ganz einfache Frage gestellt. „Wie viele Minuten am Tag haben sie an selbstbestimmter Zeit?“ Mehr als die Hälfte hat sich gemeldet und stolz verkündet, dass sie überhaupt keine Zeit für sich haben. Ich bin doch so wichtig, ich mach doch alles, ohne mich geht es doch gar nicht, mein Unterbau ist doch zu schwach, um die Organisation auch nur ganz kurz zu führen. Wenige haben es auf eine Viertelstunde gebracht, in der sie kurz mal am Fenster stehen und das Telephon ausschalten. Und nur einer hat gesagt, dass er eineinhalb bis zwei Stunden am Tag nur für sich hat. Gar nichts tut, rumläuft, einen Freund anruft, einfach ur das Hirn leermacht...
Das sind Leute, die wenigstens ansatzweise die Organisation arbeiten lassen. Und die gelernt haben, nur noch im richtigen Moment zu intervenieren, wenn die Regeln missachtet oder gebrochen werden. Und zu signalisieren, dass das selbstverantwortlich geändert werden sollte.
Damit eine Organisatioin wie ein Organismus funktioniert, braucht es einfache Regeln, die für alle gelten. Und es braucht direktes Feedback, was innerhalb dieser Regeln geschieht.. Am besten in Echtzeit. (Jeder muss sofort sehen können, wie es ihm im Verhältnis zu allen anderen geht.) Das ist im Grunde alles.
Und diese „Regeln“ sind auch noch wahnsinnig einfach. Je einfacher, um so besser funktioniert das Ganze.
Und diese Regeln beziehen sich 1. Darauf, das die Menschen in ihrem Job zufrieden sind, dass sie 2. Mit ihrem direkten sozialen Umfeld zufrieden sind, und 3. Mit der Ausrichtung ihres Unternehmens zufrieden sind.
Ganz toll wird es dann, wenn nicht nur die internen Unternehmensmitglieder alles wissen, sondern auch die externen Stakeholder und vor allem die Kunden nicht nur über ihre Kaufentscheidung Feedback geben, sondern auch für alle sichtbar ihr Feedback in die Organsation zurückgeben. Ohne Marktforschung und Kundenbefragungen, die heute üblich und genauso wenig effektiv sind, wie Mitarbeiterbefragungen und Assesment-Center.
Das wäre die vierte Ebene. Dass die Kunden auch wissen, wie es dem Unternehmen geht. Und direktes Feedback geben, wie zufrieden sie mit seinen Leistungen sind.
Das ist dramatisch einfach/simpel. Lassen wir diesen ganzen Schwarmvergleich und diese hochgestochene Theorie der kollektiven Intelligenz einfach mal raus. Die Erkenntnis und ihre Umsetzung sind bei mir empirisch gewachsen. Mir ist im Lauf der letzten dreißig Jahre deutlich geworden, dass es dramatisch einfach ist, Leute in Unternehmen zu beteiligen. Es braucht nur einen gewissen Umerziehungsprozess. Wie bei Abhängigen. Und das gilt auf allen Ebenen - ganz oben und ganz unten.
Wir müssen nur das DREICK umkehren. Das, worum sich in Unternehmen am wenigsten gekümmert wird, muss ins Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit rücken.
Ich muss mich in meinem Job wohlfühlen. Ich muss mich mit meinem direkten Umfeld wohlfüheln. Und ich muss den Sinn der gesamten organistion mit tragen können und an die Zukunft meiner Organisation glauben.
Ich habe damit über viele Jahre rumexperimentiert. Zuerst mit Fragebögen an die Mitarbeiter und Führungskräfte. Mit allen vor und Nachteilen. Für mich kamen dabei gute Erkenntnisse heraus, vielleicht auch noch für die ein oder andere Führungskraft. Aber der ganze Rest hatte nichts davon. Das waren alles nur Zeitpunktbefragungen. Die Ergebnisse kamen viel zu spät und waren nicht allen zugänglich.
Ich habe mir also immer wieder die Frage gestellt, wie man das Grundrauschen eines Unternehmens, dass ja aus den vielen Meinungen, Gefühlen und Einschätzungen aller Mitarbeiter entsteht, in einem permanenten Feedbacksystem für alle erlebbar zu machen.
Und auf einmal entstanden über die Computertechnologie solche Möglichkeiten. Die Vernetzung und Echtzeitübertragung von Informationen, die einfach und für alle zugänglich aufbereitet werden können, sind heute eine traumhafte Option, um die Vernetzungs- und Informationsstrukturen eines Schwarms zu simulieren.
Also habe ich damit begonnen, etwas experiementell umsetzen zu lassen, was ich später den Puls-Check genannt habe.
Am Anfang habe ich von einem spezialisierten Unternehmen meine Fragebögen mit den ICH-, WIR-, ES- Fragen zu einer monatlichen Auswerten aufarbeiten lassen. Einzelne Abteilungen befragt. Die Antworten kamen so nach drei Monaten. Das war nicht schlecht. Aber es hatte keine Wirkung. Die Frage im Sinne des Schwarms war ja, wie alle Einblick in die Zusammenhänge bekommen können. Man kann zwar die Berichte verschicken. Aber wer liest so etwas denn... Und außerdem waren die Ergebnisse ja völlig veraltet. Dieses Instrument wurde nur von den Gruppenchefs genommen, um sich zu vergleichen und sich über die, in deren Gruppen es nicht so gut lief, lustig zu machen und sich selbst besser zu fühlen. Und es gab sofort enorme Konflikte aufgrund von Rechtfertitungen, Vorwürfen und Schuldzuweisungen.
In Gesprächen mit Freunden über Schwarmverhalten kam die Idee, dass wir das Feedback auf ECHTZEITt bringen müssen. Alle müssen mitmachen und alle müssen in Echtzeit sehen, wie es allen geht. Und überall dort, wo es den Leuten nicht gut geht, entsteht sofort ein Sog bei den Beteiligten und auch bei den anderen, sich zu fragen, was da eigentlich los ist.
In einer Organisationsstruktur nach altem Muster und in dem Glauben der Führung, dass die Oberen bestimmen, was die unteren zu tun haben, kann das Instrument nicht wirken. Es stirbt. Weil niemand mehr mitmacht.
Menschen machen ja nur bei so etwas mit, wenn sie sich dadurch besser fühlen und sich mit ihrer Arbeit und ihrer Gruppe identifizieren können. Weil sie die Sache lieben.
Und in diesem System kann jeder ganz individuell seine Einschätzung abgeben. Jeder ist verschieden und erlebt die Situationen anders. Und genau das kommt dabei zur Geltung.
Neue Form der Führung. Auch hier einfache Regeln. Wenn die Leute frei und selber reagieren dürfen, fangen sie an, ihre Probleme selber zu lösen, sich mit ihrer Arbeit und ihrer Gruppe und dem Unternehmen zu identifizieren. Und sie fangen an, als Teams zu tanzen.
Die brauchen keine Personalabteilungen mehr, die ihnen sagen, wie sie etwas machen sollen oder welche Teambildungsmaßnahmen sie durchführen oder mitmachen sollen. Es wird der Gruppe selber deutlich, welche Schwierigkeiten sie haben - und sie kommen von allein darauf, welche Hilfe sie vielleicht dabei brauchen, ihre Probleme zu lösen. Oder, wenn sie keine Probleme habe, darauf zu kommen, was sie verbessern wollen. ,,,
Sie warten nicht mehr darauf, an irgendwelche Personalentwicklungsprogrammen teilnehmen zu müssen. Sondern, sie beginnen Forderungen zu stellen. Schickt uns mal jemanden, mit dem wir unsere Arbeitsprozesse durchleuchten können. Oder einen Arbeitsplatzspezialisiten, oder einen Kommunikationstrainer, um herauszufinden, ob wir die Schnittstellen zwischen uns noch reibungsloser machen können.... Wir brauchen diese oder jene Form der Unterstützung. Wir brauchen eine ander Form des Berichtswesens.
Mit dem Puls-Check habe ich bei einigen Unternehmen wunderbare und bei anderen schlechte Erfahrungen gemacht...
Das entscheidende ist das Echtzeitfeedback auf die Fragen und das alle, wirklich alle mitmachen. Unabhängig von der Hierarchie und Funktion im Unternehmen. Vom CEO bis zur Reinigungskraft.
Ich habe als Einstiegsmöglichkeit für Unternehmen eingerichtet, dass die einzelnen Menschen nur die Ergebnisse ihrer Abteilung im Verhältnis zur Gesamtorganisation sehen. Nicht deshalb, weil sie nicht alles sehen sollen, sondern wir befürchtet haben, dass viele Menschen am Anfang noch überfordert, auf einmal einblick in das gesamte Abeiteilungsspektrum der Organisation zu bekommen. Das haben auch die Chefs der Unternehmen gedacht, mit denen ich gesprochen habe. Dann haben wir die Sache eingerichtet. Und innerhalb von 14 Tagen hatten alle Mitarbeiter rausgefunden, dass sie sich über einen Gast-Log Einblick in die gesamten Daten verschaffen konnten und haben das auch getan. Also haben wir es von da an immer gleich offen gemacht.
Das hat mit einem weiteren ganz zentralen Aspekt der ganzen Sache zu tun. Der TRANZPARENZ. Normalerweise gibt es diese Übersicht in Unternehmen nicht. Alles spielt sich informell und in der Gerüchteküche ab.
Transparenz setzt nicht nur voraus, dass alle Informationen zur freien Verfügung stehen. Sondern das ich mich auch beteilige und interessiere. Der Puls-Check ist ja ein Befragung von allen. Nicht nur eine repräsentative Umfrage. Sonder im Grunde eine Wahl. Eine permanente Wahl, in der jeder immer wieder seine Stimme abgeben kann. Es wird sozusagen chronisch gewählt. Und immer, wenn man wählt, fühlt man sich mitverantwortlich für das Ergebnis der Wahl. Bei einer Repräsentativbefragung besteht die statistische Wahrscheinlichkeit, dass sie zu ähnlichen Ergebnissen kommt. Wie bei Umfragen von politischen Wahlen. Aber dabei fühlen sich alle nicht verantwortlich, die dabei nicht befragt worden sind. Da war ich ja nicht dabei. Das Faktum, dass ich selber mit abstimme oder meine Bewertungen eingebe, führt zu einer ganz anderen Verbundenheit mit den Ergebenissen. Auch bei denen, die sich aktiv verweigern, bei der Abstimmung ihre Antworten zu geben. Die aber immerhin auf Enthaltung klicken. Auch das ist ein wichtiges Signal. Und auch diese Menschen haben eine Verantwortung übernommen. Auch die Zahl der Teilnehmer ist ein Zeichen. Wenn viele mitmachen oder viele gar nicht mitmachen, ist das auch ein wichtiges Zeichen, wie es der Organisation geht.
Hier geht es auch um die Schönheit des Vergleichs. Ich sage dazu nicht Wettbewerb. Aber ich sage auch nicht in der 68er Latzhosenmetnalität, die sich lange im Bereich HR breitgemacht hat, dass sich alle immer lieb haben und alle gleich sein sollen. Ich sage nur, dass der Vergleich ohnehin ständig stattfindet, weil wir Menschen uns immer mit anderen Menschen vergleichen. Aber wenn man durch die Transparenz alle Vergleiche systematisch möglich macht, nimmt das dem Vergleich die Häme, das besser sein wollen, diese Über- oder Unterlegenheitselement. Der Vergleich ist dabei etwas normales und gesundes. Er ist auch der Auslöser von Wettbewerb. Wie geht es mir? Wie geht es den anderen? Was machen die? Was mache ich? Was kann ich anders machen oder davon lernen, wie es die anderen machen?
Natürlich fühle ich mich gut, wenn es bei mir besser läuft als bei anderen. Warum auch nicht. Und natürlich wird auch auf die geschaut, bei denen es nicht so gut läuft. Aber zum Glück nicht mehr auf dem Klo, wo getratscht wird oder hinter vorgehaltener Hand. Sondern offen. Und auf einmal können die Menschen über solche Sachen ganz offen ins Gespräch kommen. Weil es statistisch sowieso allen offen liegt. Also kann man sich in der Kantine oder auf dem Flur oder in der Werkhalle darüber unterhalten. Was ist bei denen los? Was ist bei euch los? Was macht ihr da eigentlich. Und: im bestem Fall - können wir euch helfen?
Und dann fängt es an, wirklich interessant zu werden. Weil die Menschen beginnen, Anteil an ihrem Unternehmen zu nehmen und zu beobachten, wie es anderen geht. Und sich nicht darauf zu verlassen, dass von oben eine Klärung oder irgendwelche Maßnahmen kommen. Und mit Schadenfreude und Häme darauf zu warten, dass das wieder schief geht.
Aber damit sich das entwickeln kann, müssen die Führungskräfte etwas von ihrer Machtvorstellung und eingebildeten Bedeutung loslassen können. Sie müssen ihre Leute befähigen, sich selbst zu helfen. Und nicht als die Bestimmenden oder Fordernden aufführen, die sich dann sogar meinen, sich für eine Leistung ihrer Mitarbeiter am Jahresende bedanken zu müssen... Weil sie das ja für sie getan haben. Stattdessen sollten sie den Leuten gratulieren, dass sie es hinbekommen haben, und dass sie gerne im Unternehmen arbeiten - für sich und das Unternehmen. Aber doch nicht für diese Chefs...
Das ist ein feiner Unterschied. Und den kriegt man eigentlich nur über das Echtzeitfeedback hin.
Die Machthabenden im Unternehmen müssen die Einsicht und die Haltung habe, dass dieses Engagement aller Mitarbeiter im Unternehmen gewünscht ist. Und damit muss der Machthabende das Gestalten der Beziehungen auch selbst auf den Prüfstand der Mitarbeiter legen. Er wird mit seiner Leistung Teil der Transparenz!
Und sie müssen erkennen, dass das Unternehmen auch unabhängig von ihnen läuft. Und das ihre wesentliche Aufgabe, eigentlich der einzige Sinn ihrer Tätigkeit darin besteht, ihren Mitarbeitern zu ermöglichen, das optimale ihrer Leistungmit großer Freude und Intensität zu erbringen.
Vielleicht finden wir ja heraus, wenn wir über das mehrjährige Experimentierstadium hinaus sind, dass Organisationen ganz ohne zentralistische Strukturen viel besser funktionieren und die Leute sich darin gleichzeitig viel besser fühlen und ihre Arbeit viel lieber und viel besser machen.
Allein durch die Anwendung des Systems bekommt eine Führungskraft mit, was eigentlich ihre Aufgabe ist. Er hat dafür zu sorgen, dass seine Mitarbeiter die Teilnahme und das Ausfüllen als Bestandteil ihrer Arbeit sehen. Das das wichtig ist. Er hat aber nicht dafür zu sorgen, was sie reinschreiben. Er ist verantwortlich dafür, dass sie bewerten. Er ist nicht dafür verantwortlich, wie sie bewerten. Und er ist als Hüter der Regeln dafür verantwortlich, die die Regeln und Absprachen eingehalten werden. Er ist dafür verantwortlich, dass die Leute mit Freude arbeiten, alles haben, was sie für ihre Arbeit brauchen und das das Ziel des Unternehmens einen guten Identifikationszusammenhang und eine Zukunftsperspektive bietet.
Aber wenn eine Führungskraft, die Topspitze oder ein Abteilung dafür nicht brennt, sondern das Instrument für sich als Kontrollfunktion und Steuerungsinstrment vereinnahmen will, dann werden die Mitarbeiter auch nicht mitmachen. Oder dem manipulationsversuchen ihrerseits mit Gegenmaßnahmen begegnen. Und die ganze Sache schläft einfach ein.
Das habe ich erlebt. In einer großen Organisation mit 2000 Leuten. Einige Abteilungen davon haben mit großer Begeisterung mitgemacht und begonnen, sich selbst zu organisieren und zu steuern. 80 % der Leute haben sich aktiv beteiligt. Dann kam die Personalabteilung, mit der Führungspitze des unternehmens dahinter, und wollte dieses sehr erfolgreiche Instrument in ihren Macht- und Einflussbereich bekommen. Und kurz darauf machten immer weniger Leute mit. Und haben den Oberen zugerufen: „Füllt das doch selber aus!“
Und sie bekamen nicht, was sie selbst als Bedarf gesehen hatten, um ihre Verbesserungen, in diesem Fall die Kommunikation mit den Kunden, zu entwickeln. Das Management und die Personalabteilung wollten das als ihr Projekt durchsetzen. Sie wollten das für die Leute organisieren. Und ein paar Wochen später haben sich nur noch 3 % der Belegschaft beteiligt.
Wenn die alten Führungs- und Machtstrukturen beibehalten werden, stirbt das System sofort. Viele interessieren sich für das System. Um es als vermeintliches Macht- und Führungsinstrument zusätzlich zu nutzen und noch mehr Informationen über ihre Mitarbeiter zu bekommen und sie daraufhin besser steuern zu können. Aber das funktioniert prinzipiell nicht. Daher lässt sich das System auch nicht Missbrauchen. Wenn es funktioniert, ist sowieso alles für alle sichtbar. Und keiner kann einen Informationsvorsprung für sich ausnutzen. Denn alle können alles wissen. Und wenn das nicht so ist, funktioniert es erst gar nicht.
Die Illusion dabei ist, dass der zentrale Kopf des Unternehmens durch das System auf einmal in Echtzeit weiß, wie es allen im ganzen Unternehmen geht, und dadurch in der Folge zentral alle kontrollieren, steuern, motivieren oder sanktionieren kann. Oder ihnen die Probleme, die dadurch offensichtlich werden, zynisch zum Vorwurf machen, um sie unter Druck zu setzen. Oder ihnen zu sagen, dass sie ihre Probleme doch jetzt auch bitte alleine lösen sollen, ohne ihnen die Hilfe zu bieten, die die menschen selber nachfragen.
Das Budget für Personalentwicklungsmaßnahmen muss schlicht und einfach das gleiche bleiben. Nur sollen die Leute die Maßnahmen nicht mehr verordnet bekommen. Sondern selber herausfinden, was sie wirklich brauchen können und die Hilfe abrufen und auch bekommen. Das ist die einfache Umkehrung, die nicht mehr kostet, als vorher.
Eine Abteilung muss bei Bedarf einen Mentor oder Coach abrufen können. Zentral organisierte Mentorenprogramme werden dadurch überflüssig. Oder sie wollen einen Experten, der ihnen genau die technischen Zusammenhänge erklärt, die sie brauchen. Und keine allgemeine Schulung, zu deren Teilnahme sie verdonnert werden.
Im Ergebnis sollen die Betroffenen ihre Unterstützung selber planen und abrufen. Und die Mitarbeiter müssen das RECHT haben, diese Untersützung ihrer Wahl abzurufen. Das darf dann nicht genädig gewährt werden. Sondern sie haben das Recht auf ihre Hilfe - in einem vorher festgelegten Budgetrahmen. Sei es ein Workshop, eine Weiterbildung, eine Konfliktlösiung durch einen Moderator... Je nachdem...
Ein Unternehmen ist selbst darauf gekommen, den Umfang des Budgets an die Beteilligungsquote zu koppeln. Interessant - und es funktioniert.
Am Anfang habe ich gedacht, ich hätte dadurch viel mehr als Coach und Moderator zu tun. Aber das Gegenteil ist der Fall. Mit den alten hierarchischen und zentralistischen Organisation habe ich immer mehr zu tun. Chaos vom Feinsten. In den Puls-Check-Organisationen regeln die Leute die allermeisten Konflikte einfach selber, ehe sie so zerfahren sind, dass ein Externer als letzte Hilfe gerufen werden muss. Allen ist zum Beispiel deutlich, wenn es zwischen verschiedenen Gruppenmitglliedern Schwierigkeiten gibt. Und weil das alle wissen, verhalten sich die Betroffenen gleich anders und andere kommen ihnen zu Hilfe. Um das Problem zu lösen. Da und das läuft es gut. Nur die und er haben Probleme. Was könnten wir da machen, wie können wir die Schnittstellen verbessern? Das besprechen die Leute auf einmal unter sich in der Kantine.
Die Probleme sind offen und bekannt. Es wird nicht mehr so viel hinter verschlossene Türen und hinter der Hand gesprochen oder intrigiert. Weil die anderen alle sofort erleben und sehen, dass sie wegen dieser persönlichen Probleme weniger Freude an der Arbeit haben oder ihre prozesse nicht so gut laufen. Also bringen sie sich ein, um die Situation zu klären und zu verbessern. Damit sich alle wieder besser fühlen. Und wenn das gelingt, sehen alle auch das in Echtzeit. Und das ist ein Erfolg.
Das sind die Selbstheilungskräfte des Organismus.
Das kostet ja auch nicht viel. Für ein großes Unternehmen kostet das maximal 1000 Euro im Monat, um die Software auf einem externen gesicherten Server bereitzustellen und die volle Betreuung zu bekommen. Und damit können die Unternehmen eigentlich alles selber machen, wenn sie verstanden haben, wie die Sache funktioniert.
Bei den anderen Unternehmen, die ich berate, die den Pusl-Check nicht haben, verdiene ich ganz anders. Der Puls-Check verhindert quasi sozialautomatisch, dass diese Konflikte und Reibungen entstehen oder eskalieren, die in herkömmlichen Unternehmen dauernd entstehen.
Insofern gehen durch jedes Puls-Check Unternehmen im Grunde meine lukrativen Aufträge zurück.
Wenn Führungskräfte den Pusl-Check und die notwendige Haltung verstanden haben, dann brauchen die eigentlich gar nichts anderes mehr. Und sie haben wieder mehr Zeit für sich, um über wichtigere Dinge für das Unternehmen nachzudenken, als sich mit den unzähligen Konflikten und Reibungen im Unternehmen herumzuschlagen oder die Menschen motivieren und kontrollieren zu wollen. Was doch in den meisten Fällen den ganzen Spaß verdirbt und die Leute ihre Arbeit weniger lieben lässt - die Führungskräfte eingeschlossen.
Man kann den Puls-Check nicht einfach als ein weiteres Management-Tool begreifen. Dann funktioniert er nicht so gut. Man muss sich wirklich mit den Gedanken über Führung und Selbststeuerung dahinter beschäftigen, um das System lebendig werden zu lassen. Aber die Grundregeln sind so einfach, das es gar nicht einfacher geht. Vielleicht ist es das, was manchen Menschen so irritiert, die so ungeheuer komplizierte Steuerungsinstrumente aus dem Controlling kennen...
Deswegen brauchen gerade die Führungskräfte vorher eigentlich erst mal ein Führungsphilosophieseminar. Eine Weiterbildung, die ihre Haltung verändern kann. Damit ihnen klar wird, wie die Selbststeuerung eines Unternehmens oder einer Abteilung zu einem realistischen Ziel werden kann.
Für die Mitarbeiter braucht es in der Regel nur eine Schulung, wie die Anwendung funktioniert. Den Sinn und die Möglichkeiten verstehen die alle in der Regel sofort von selbst. Weil damit viele ihrer alltäglichen Probleme gelöst werden. Viele Unsicherheiten, Ängste und versteckten Konflikte. Das ist im Grunde nur eine Schulung wie für ein neues Computerprogramm - nur viel einfacher. Und sie müssen etwas davon haben. Sonst machen sie nicht mit. Anders als ein Biene sind menschen nicht einfach nur genetisch zur Teilnahme programmiert. Wir müssen uns zusätzlich wohl fühlen, uns in ihrem Selbstwertgefühl bestärkt sehen und einen Nutzen haben. Bei uns ist wahrscheinlich genetisch programmiert, dass alles für uns persönlich einen Sinn haben muss, damit wir uns aktiv beteiligen.
Und wenn dieser Sinn und Nutzen nicht von den Führungskräften ermöglicht wird, macht auch keiner mit.
Überall, wo die Einführung scheitert, wird zumindest deutlich, dass man noch immer im alten Opfer-Täter-Modell zwischen oben und unten steckt. Und wahrscheinlich große Schwierigkeiten haben wird, sich in unserem verändernden Weltmarkt zu überleben und zu wachsen.
Und wem es gelingt, der hat nach wie vor die gleichen Aufwendungen - nur für die Mitarbeiter und nicht für die Berater.
In machen Unternehmen gelingt das einfach wunderbar. Als ob die Organisation nur darauf gewartet hätte. Irgendwie liegt das schon in der Kultur, in der Führungshaltung und in der Feedbackfähigkeit der Beteiligten. Die brennen dann einfach für die Sache. In anderen Fällen, die sehr auf Mitarbeiterkontrolle und zentralistische Top-Management-Entscheidungen und reine Durchführung setzen, haben sehr große Schwierigkeiten. In einem Unternehmen war das ganz dramatisch. Da haben die Top-Manager und die Personaler nach der Installation des Systems den Mitarbeitern verboten, direkt bei uns nachzufragen, wenn sie Verständnisschwierigkeiten oder Interpretationsprobleme hatten. Das musste weiterhin alles ihre Sache sein. Nichts durfte an ihnen vorbei laufen, damit ihre Vormachtstellung nicht in Frage gestellt wird. Wir durften noch nicht mal technische Fragen direkt beantworten. Alles musste erst bei der zentralen Abteilung beantragt und kanalisiert werden. Die haben den Puls-Check vermutlich gewohnheitsmäßig als Machtinstrument begriffen - unbewusst. Weil sie die Alternative gar nicht denken konnten. Und sie hatten die ganze Zeit Unbehagen und Angst davor, was die Mitarbeiter außerhalb ihrer Kontrolle eigenständig mit den Informationen machen würden. Weil sie das dann nicht mehr kontrollieren konnten.
In einem anderen Unternehmen wollten die Mitarbeiter mit Hilfe der Ergebnisse des Puls-Check die Personalabteilung entlasten und Mitarbeiter nach ihrem direkten Bedarf für ihren Einsatz einplanen und zuteilen. Weil die Personalabteilung das einfach nicht hingekriegt hat.
Aber es gibt in meinem erleben bereits sehr viele Manager, die durchaus bereit und offen sind, sich selbst als Teil eines Unternehmensorganismus zu sehen, von dem sie nur ein Teil aber nicht der alles beherrschende Kopf sind. Die beiden Haltungen sind vielleicht wie mit dem Vergleich zwischen der amerikanischen Armee und dem Vietkong. Die amerikanische Armee, hierarchisch bis ins Letzte.
Der vietkong, keine eindeutige Spitze. Ein vernetztes System, das durch Lieder, Gedichte, Berichte von Mund zu Mund funktionierte. Und das wesentliche war der Zusammenhalt in den kleinen, selbstorganisierten Gruppen. Die wiederum ganz einfachen Regel des Guerillakampfes folgten. Und diese Regel immer wieder angepasst haben.
Und genau das ermöglicht der Puls-Check.Er macht die Kommunikation einfach und dezentral. Jeder weiß ganz genau, wie die Regeln für die Gestaltung seines Nahbereichs sind. Und er hat gleichzeitig das Stimmungsbild und eine Karte der Probleme des Ganzen.
Über den Puls-Check-System kann man der Organisation eigentlich jede Frage stellen. Und bekommt in Echtzeit eine Antwort. Nicht wie bei einer repräsentativen Umfrage erst nach drei Monaten.
Es darf nicht der Eindruck entstehen, als ob die Fragen im Puls-Check standardisiert seien und nicht auch ganz anders sein könnten. Das ist nicht der Fall. Es gibt die 6 Basisfragen zu den drei Bereichen. Aber nur, weil die sich als sehr sinnvoll in ihrer Einfachheit herausgestellt haben. Aber man kann auch andere Fragen stellen und darüber hinaus jede Frage, die einem gerade wichtig erscheint, und auf die man von der ganzen Organsation eine Antwort haben möchte.
Es ist sogar möglich, offene Fragen zu stellen, zu denen jeder Mitarbeiter ein Wort oder einen Satz antworten kann, die dann inhaltsanalytisch ausgewertet werden können. Das geht dann in das Feld der kollektiven Intelligenz und der Wissdom of the Crowds.
Fragen wie: Wenn wir das und das vorhaben, bist du dabei? Machst du mit? Wie geht es dir damit? Hast du dafür alles, was du brauchst? Usw. Glaubt ihr, das wir mit dem oder dem neuen Produkt am martk erfolg haben werden? Glaubt ihr, dass ihr Euch mit den Mitarbietern eines anderen Unternehmens verstehen könnt, wenn wir es kaufen? Seht ihr darin einen Sinn? Bestärkt euch das in eurer Einschätzung der Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens.
Es geht um das Zukunfts- und Selbstverständnis aller Mitarbeiter. Der Puls-Check ist kein Marktforschungs- oder Unternehmensumfrageinstrument. Sondern ein Mittel zur Verbesserung der Kommunikation im Unternehmen. Und es ist auch kein fertiges Tool. Sondern ein sich entwickelndes Instrumentarium, dass durch seine Anwendung in Unternehmen immer wieder verändert und weiterentwickelt werden soll.
Die Weiterentwicklungsmöglichkeiten sind enorm.
Aber letztlich ist es nur ein Hilfmittel für die Kommunikation. Die Haltung im Unternehmen ist viel wichtiger. Das Programm, dass wir entwickelt haben, kann und wird irgendwann kopiert werden. Aber überall dort, wo es noch im alten Kontrolldenken angewandt werden soll, wird es einfach nicht funktionieren.
Wir sind nicht dafür da, dafür zu sorgen, dass sie besser funktionieren. Das ist ihre Entscheidung. Wir fragen einfach jeden, wie es ihm im Unternehmen mit seiner Arbeit geht. Und dadurch, dass dass alle sehen können, können sie sich selbst entscheiden, wie sie ihre Situation verbessern wollen. Das ist der Unterschied.
Das ist ein terapuetischer Ansatz. Es geht einfach um die Befähigung zur Selbstheilung und Selbstgestaltung. Das ist wie der Unterschied von Therapie und beauftragter Sozialarbeit.
Das sind eigentlich ganz simple Gedanken. Wenige klare Punkte. Es scheint oft, dass Unternehmen unendlich komplexe Gebilde sind. Für die man unendlich komplizierte Steuerungs- und ControllingInstrumente braucht, die immer mehr Vorgaben und Vorschriften beinhalten. Aber im Grunde ist es total einfach.
Es ist wirklich genauso wie in einem lebenden Organismus. Die bewusste Schaltzentrale ist gar nicht in der Lage, alle Prozesse zentral zu steuern. Das allermeiste machen die Zellen in ihren Strukturen unter sich aus und stimmen sich nur mit den zentralen Gehirn ab. Über gelingende Kommunikation. Denn sie alle folgen einfachen Regeln. Sie steuern sich selbst im Zusammenspiel. Und aus dem Zusammenspiel entsteht komplexes Verhalten. Und je besser das Zusammenspiel kommunikativ läuft, um so komplexere Aufgaben kann das Gesamtsystem leisten.
Und wer versucht, in solche selbstorganisierten Organismen zentral einzugreifen, stört die Abläufe und verursacht immer ungewollte Nebenwirkungen. Zum Beispiel die, dass der Organismus versucht, diese Eingriffe zu umgehen und auszutricksen. Hebengesetze funktionieren in lebendigen Systeme nicht. Wir haben es nicht mit berechenbarer Kausalität wie in Maschinen zu tun, sondern mit dynamischer Komplexität. Und die kann man niemals steuern. Sondern nur dafür sorgen, dass die Bedingungen für jede einzelne Zelle und den Gesamtorganismus so gut wie möglich sind, damit er selbst seine Leistung erhöhen kann. Im besten Fall mit einer Lebensfreude.
Stellen wir uns doch mal eines dieser betonierten Großunternehmen vor, in dem sich das Management sich den Puls-Check Gedanken zu eigen machen würde. Aufgrund der Transparenz würden die zum ersten Mal wissen, wie es den Leuten in ihrem Unternehmen wirklich geht.
Und das ganze Silodenken, die Korruption, die Intrigen, die persönliche Bereicherung entgegen der Ziele des Gesamtunternehmens, das Karrieredenken auf Kosten anderer, wäre gar nicht mehr möglich. Denn über den Puls-Check käme doch für alle sichtbar alles nach oben, was nicht stimmt, schief läuft oder die Stimmung drückt. Und dabei wäre über den Puls-Check nie gesagt, was nicht stimmt. Nur das etwas nicht stimmt. Und dem können die Leute dann selber nachgehen, um die Situation zu klären und zu verbessern.
Und man könnte sogar so weit gehen, den Puls-Check mit den Finanzdaten des Unternehmens zu koppeln. Zum Beispiel mit dem EBITDA. Mit dem Cash-Flow oder dem Gewinn vor Steuern. Dann könnten alle sehen, welche Abteilung welchen Beitrag zum Gesamtergebnis bringt. Ganz offen. Das wäre doch super. Man könnte eine Fülle von relevanten Unternehmenszahlen mit dem „Stimmungsbarmometer“ des Puls-Check koppeln. Qualitätskennzahlen, Absatzzahlen, Kosten. Jeder Mitarbeiter hätte dann eine Art Cockpit. Damit er ein klares Gefühl dafür bekommt: Was machen wir in unserem Unternehmen eigentlich? Und welchen Einfluss hat dass, was wir in unserer Abteilung den ganzen Tag machen, eigentlich auf den Unternehmenserfolg? Um dann selbst zu entscheiden, was sie verändern oder verbessern wollen. Und man kann offen sehen, welchen Einfluss andere Abteilungen auf den Gesamterfolg haben - und entweder sich daran freuen, wenn es gut läuft, oder Hilfe anbieten oder sich angeregt fühlen, auch so gut zu werden... Um irgendwann wie in einem Schwarm zu fliegen oder zu tanzen.
Ich glaube, dass diese Transparenz und Offenheit als notwendige Voraussetzung zur Selbststeuerung für viele eine echte Erlösung wäre - auf allen Ebenen. Oben und unten. Und ich glaube fest daran, dass sich, wenn sich die Menschen im Unternehmen besser fühlen, mehr Selbstachtung empfinden können, mehr Gestaltungsfreiräume haben und in der Konsequenz ihre Arbeit mehr lieben, der Unternehmenserfolg ganz von alleine einstellt.